Nein, den besten Ruf haben Kitobjektive wirklich nicht. Erfahrene Fotografen rümpfen die Nase, wenn man sie nach der Abbildungsqualität der Set-Objektive fragt. Doch sind sie tatsächlich so nutzlos? Oder sind sie für die ersten Gehversuche im DSLR-Bereich vielleicht sogar ideal? Antworten liefert dieser Artikel.
Als im Herbst 2016 die brandneue Nikon D3400 als hochwertige Einsteigerkamera herauskam, wird es viele ambitionierte Hobbyfotografen in den Fingern gejuckt haben: Die perfekte Kamera für alle anspruchsvollen Nutzer, die weder auf eine einfache Bedienbarkeit noch auf sämtliche professionellen Features verzichten wollen. Mit einem Preis von rund 450 Euro im Online-Handel ist sie zudem auch preislich attraktiv – zumindest für die Nutzer, die sie nicht nur als Urlaubskamera einplanen würden.
Für die 450 Euro bekommt man jedoch nur den reinen Body. Um auch tatsächlich fotografieren zu können, muss man noch etwas tiefer in die Tasche greifen. Vor allem für Anwender, die erstmals zu einer digitalen Spiegelreflexkamera greifen, ist es deshalb sehr verlockend, direkt Kombinationsangebote zu kaufen – also Sets aus Kamera und Objektiv.
Diese beigelegten Objektive werden als Kitobjektive bezeichnet. In der Fotografenwelt hat sich der Begriff schon fast zum Schimpfwort entwickelt, denn diese Kitobjekte gelten als lichtschwach, billig verarbeitet und mit niedriger Abbildungsqualität ausgestattet. Doch stimmt das tatsächlich?
Kitobjektive im Überblick
Bleiben wir für die Beantwortung dieser Fragen beim konkreten Beispiel der Nikon D3400. Bei Amazon.de haben Sie die Wahl zwischen unterschiedlichen Angeboten: den Kamerabody (Stand: 13.3.17) bekommen Sie hier für 409 Euro, ein Bundle mit einem AF-P DX 18-55 VR für 471 Euro, und ein Bundle mit einem AF-S DX 18-105 VR für 682 Euro.
Wenn man sich die angebotenen Objektive im Einzelnen anschaut, wird schnell deutlich, dass man mit einem Kombikauf im Vergleich zum Einzelkauf bares Geld sparen würde. So kostet das AF-S DX 18-55 II einzeln 129 Euro, womit man in Kombination mit einer Nikon D3400 bei einem Gesamtpreis von 538 Euro wäre. In diesem Fall spart man durch das Set also 67 Euro.
Anders sieht es aus beim Kitobjektiv mit dem größeren Brennweitenbereich. Für das AF-S DX 18-105 VR alleine zahlen Sie 237 Euro, was einen Gesamtpreis von 646 Euro entspricht. Hier ist das Set also teurer als der Einzelkauf!
Von weit bis „normal“
Wenn wir uns das günstigste Kitobjektiv, das AF-P DX 18-55 VR, anschauen, ist der erste Eindruck gar nicht so schlecht. Die Brennweite von 18-55 mm erlaubt Bilder im Weitwinkel (18 mm) bis hin zur „Normalbrennweite“. Berücksichtigen muss man hierbei jedoch den Crop-Faktor, der den Bildausschnitt im Vergleich zum Kleinbildformat verkleinert.
Trotzdem werden viele wichtige Brennweiten abgedeckt. Die Objektivbrennweite von 50 mm (Kleinbildformat) entspricht einem Blickwinkel von 45 Grad und wird als Normalbrennweite bezeichnet, da sie in etwa dem Blickwinkel des menschlichen Auges entspricht. Aufnahmen mit 50 mm Brennweite gelten deshalb als harmonisch und ausgewogen.
Verzichten muss man bei der alleinigen Verwendung solch eines Objektivs auf Aufnahmen im Telebereich. Wenn es um das optische Zoomen geht, bietet jede handelsübliche Kompaktkamera mehr Spielraum. Das muss aber kein Nachteil sein – denn schließlich könnte man sich für den Telebereich irgendwann ein spezielles Telezoom kaufen!
Lichtschwache Objektive
Die entscheidenden Schwächen offenbaren sich bei dem Objektiv erst auf den zweiten Blick. Die Lichtstärke liegt zwischen 1:3.5-5.6, was nicht außergewöhnlich schlecht, aber doch eher ein Standardwert in der Einstiegsklasse ist.
Nur einmal zum Vergleich: Das NIKKOR 17-55 mm 1:2,8G ED bietet fast exakt denselben Brennweitenbereich, kostet aber statt 129 Euro knapp 1.500 Euro! Die Erklärung dafür liegt in der Verarbeitung und der durchgängigen Lichtstärke von 1:2,8 – eine scheinbar minimale Wertdifferenz, die aber in der fotografischen Praxis einen Unterschied wie Tag und Nacht ausmacht.
„Kleines“ Reisezoom
Das zweite Kitobjektiv in unserem Beispiel der neuen Nikon D34OO ist das AP-S DX 18-105 VR. Und hier kann man eigentlich gar nicht von einem typischen Kitobjektiv sprechen. Stattdessen deckt man hiermit vom Weitwinkel- über die Normal- bis zur Telebrennweite alle Facetten ab und hat damit ein vielseitiges Objektiv zur Hand, das man getrost (fast) immer aufgesteckt lassen kann.
Einziger Wermutstropfen: Wie üblich in dieser Preisklasse, ist das Objektiv nicht sonderlich lichtstark (1:3,5-5,6). Trotzdem haben Sie hiermit ein ordentliches Reisezoom zur Verfügung, mit dem sich durchaus gute Bilder machen lassen.
In der Praxis ist der Nutzen begrenzt
Unser Beispiel der Kitangebote, die es für die Nikon D3400 gibt, zeigt bereits eines ganz deutlich: Es gibt nicht das eine Kitobjektiv, das gut oder schlecht ist. Stattdessen finden sich im Handel Angebote, die es differenziert zu beurteilen gilt.
lm Folgenden wollen wir uns aber vor allem die relativ lichtschwachen Einsteigerobjektive mit 18-55 mm Brennweite anschauen. Macht solch ein Kauf Sinn? Wie bereits erwähnt, haben Sie mit diesen Objektiven die Möglichkeit, Aufnahmen vom Weitwinkel bis hin zur Normalbrennweite aufzunehmen. Für Landschaftsaufnahmen ist diese Spanne völlig ausreichend – hier lässt sich auch die begrenzte Lichtstärke verschmerzen.
Wer hingegen Porträts aufnehmen will, dürfte mit dieser Objektivklasse nicht glücklich werden, denn hierfür ist das Objektiv nicht lichtstark genug. Und auch trotz der 18 mm Einstiegsbrennweite sollten Sie keine Ergebnisse wie bei einem echten Weitwinkel erwarten. Typisch für solche Einsteigerzooms sind deutliche Verzerrungen an den Bildrändern, wenn man sich in diesem Brennweitenbereich bewegt.
Kitobjektive im Praxiseinsatz
Für viele DSLR-Ein- und -Umsteiger kommen die Warnungen vor einem Kitobjektiv nun sicherlich etwas zu spät. Auf vielen Bodys werden diese Objektive ihre Arbeit verrichten – wohl auch deshalb, weil der Neukauf von Kamera und einem hochwertigen Objektiv ganz schön ins Geld geht. Da nimmt man doch lieber das rabattierte Kitobjektiv, um mit der neuen Kamera überhaupt fotografieren zu können.
Und bei aller Kritik: Nicht alle Aufnahmen, die Sie mit einem solchen Objektiv machen, werden zwangsläufig misslingen. Im Gegenteil: Im mittleren Brennweitenbereich des Objektivs werden Sie bei guten Lichtverhältnissen problemlos tolle Bilder schießen können. Landschaftsaufnahmen bei Tageslicht und mit Stativ bei Dämmerung werden das Objektiv vor keinerlei Probleme stellen. Für die ersten Gehversuche können Sie das Objektiv also getrost verwenden und in der Praxis ausprobieren. Doch an eines sollten Sie beim Fotografieren immer denken: Ihre Kamera kann noch eine Menge mehr! An die Grenzen stoßen die Kitobjektive, wenn die Lichtverhältnisse anspruchsvoll werden – beispielsweise in der Dämmerung oder in schlecht ausgeleuchteten Innenräumen.
Hier führt die fehlende Lichtstärke zu verlängerten Belichtungszeiten, was wiederum zu verwackelten, unscharfen Bildern führt! Zumindest mittelfristig sollten Fotografen, die ein Kitobjektiv verwenden, also unbedingt den Kauf von Zusatzobjektiven in Erwägung ziehen! Ein interessantes Objektiv – auch für den kleinen Geldbeutel – ist zum Beispiel das Nikon AF-S NIKKOR 50 mm 1:1,8G Objektiv. Mit dieser Festbrennweite können Sie zwar nicht zoomen, doch dafür bekommen Sie ein extrem lichtstarkes Objektiv zum günstigen Preis!