Die Brennweite wird verlängert. 50 mm Brennweite entsprechen auf einmal 75 mm. Superteleobjektive werden überflüssig. Um den Cropfaktor ranken sich viele Halbwahrheiten und Mythen. Wir bringen Licht ins Dunkel.
Wissen Sie eigentlich ganz genau, was sich hinter dem Begriff Cropfaktor verbirgt. Die meisten, die sich mit der Fotografie beschäftigen, werden zumindest schon einmal davon gehört haben und die Mehrzahl wird wissen, dass es irgendetwas mit der Brennweite zu tun hat. Aber die korrekte Definition? Die kennen die wenigsten.
Was bedeutet Crop?
Das englische Wort „Crop“ steht für „beschneiden“ und beschreibt damit schon recht gut, wofür dieser Begriff in der Fotografie verwendet wird. Der „Beschneide-Faktor“ gibt nämlich an, wie sich der Bildwinkel bei einem Sensorformat gegenüber dem Kleinbildformat, das als Referenz gilt, verhält. Alles klar? Wahrscheinlich noch nicht wirklich! Deshalb beginnen wir die Erklärung noch einmal von einer anderen Seite. Das Kleinbildformat war das gängige Bildformat in der analogen Fotografie. Wurde hier mit einer bestimmten Brennweite fotografiert, war der Bildwinkel immer gleich. Egal, mit welcher Kamera man fotografiert hat. Die digitale Fotografie kannte von Anfang an kein Standardbildformat. Der analoge Film wurde durch einen kleineren digitalen Bildsensor ersetzt, der von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich groß ausfiel und auch nach wie vor noch ist. Grundsätzlich ist das für den Anwender nicht problematisch, denn schließlich spielt es für die Qualität eines Fotos und die Motivsuche keine Rolle, ob der Sensor der Kamera A etwas kleiner ist, als der der Kamera B. In der Praxis allerdings ergab sich beim Vergleich der Kameras mit unterschiedlichen Sensorgrößen ein Problem. Der Bildausschnitt bei einer identisch eingestellten Brennweite ist bei Kameras mit kleinem Sensor kleiner als bei Kameras mit einem größeren Sensor. Praktisch bedeutet dies folgendes. Sie fotografieren mit einer digitalen Vollformatkamera, in der ein Sensor äquivalent zur Größe des Kleinbildformats verbaut ist, und einer APS-C-Kamera. Bei beiden Kameras fotografieren Sie mit einer eingestellten Brennweite von 50 mm. Beim Vergleich der Bilder werden Sie feststellen, dass das Bild der APS-C-Kamera im Vergleich zum anderen Bild aussieht, als wäre es an den Rändern beschnitten worden. Der Bildwinkel ist kleiner. Und wie groß dieser Unterschied ist, das definiert der Cropfaktor.
Was definiert der Cropfaktor?
Als Vergleichsmaßstab für den Bildausschnitt gilt immer das Kleinbildformat. Das macht auch Sinn, denn schließlich handelt es sich hierbei um einen Standard, der sich etabliert hat. Zudem sind fast alle Sensoren, die in Digitalkameras verbaut werden, kleiner als die 24 x 36 mm des Kleinbildformats. Um diese Kameras nun vergleichbar zu machen, wird bei der Kamera, egal ob mit fest verbautem oder Wechselobjektiv, der Cropfaktor angegeben. Dieser liegt bei einer APS-C-Kamera beispielsweise bei ungefähr 1,5. Doch was bedeutet dieser Wert konkret? Er bezeichnet den Wert, mit dem man die Brennweite einer Kleinbildkamera multiplizieren müsste, um exakt den Bildausschnitt abzubilden, wie bei identisch eingestellter Brennweite bei einer APS-C-Kamera. Noch einmal Schritt für Schritt. Der Bildausschnitt bei 50 mm Brennweite ist beim Kleinbild größer als bei Kameras mit dem kleineren APS-C-Sensor. Will man einen identischen Bildausschnitt mit beiden Kameras erreichen, müsste man die Brennweite der Kleinbildkamera verlängern – um den Cropfaktor. Das bedeutet konkret, dass ein Bild einer Vollformatkamera mit 75 mm (50 * 1,5) exakt denselben Bildausschnitt zeigt wie das Bild einer APS-C-Kamera mit 50 mm Brennweite.
Bewirkt der Cropfaktor eine „verlängerte Brennweite“?
Der Bildausschnitt ist nicht nur abhängig von der Brennweite, sondern auch von der Größe des Kamerasensors. Mit einem Crop-Sensor, so werden alle Sensoren bezeichnet, die kleiner sind als das Vollformat, verlängert man also sozusagen die Brennweite. Genau deshalb wird der Cropfaktor auch Brennweitenverlängerungsfaktor genannt. Klingt logisch, ist aber irreführend. Tatsächlich wird die Brennweite nämlich nicht verlängert. Diese ist immer exakt so lang wie auf dem Objektiv angegeben. Lediglich der Bildausschnitt unterscheidet sich bei den jeweiligen Sensorgrößen. Der gängige Begriff Brennweitenverlängerung ist also nicht korrekt.
Was ist der Unterschied zwischen dem Cropfaktor und dem Formatfaktor?
Als Synonym für den Cropfaktor verwendet man zudem auch noch den Begriff Formatfaktor – und das ist die eigentlich technisch richtige Bezeichnung. Doch viel wichtiger ist natürlich, was der Cropfaktor für Auswirkungen auf die Fotografie hat. Schließlich kann es einem doch eigentlich egal sein, wie der Bildausschnitt bei einer anderen Kamera wäre, wenn man die Brennweite X einstellt. Das stimmt auch, doch trotzdem sollte man den Cropfaktor schon beim Kauf eines neuen Kamerasystems im Hinterkopf haben. So weisen beispielsweise Micro Four Thirds – Sensoren einen Cropfaktor von 2 auf. Das bedeutet also, dass Sie bei eingestellten 30 mm einen Bildausschnitt fotografieren, der 60 mm bei einer Vollformatkamera entspricht. Ein hoher Cropfaktor ist deshalb für Fotografen, die gerne weitläufige Landschaften fotografieren wollen, ein echtes Problem, weil sie hierfür ein Ultraweitwinkelobjektiv verwenden müssten, das entweder sehr teuer, nicht verfügbar oder möglicherweise fehleranfällig bei der Bilddarstellung ist. Dafür erzielen Sie mit einem hohen Cropfaktor schon mit relativ geringen Brennweiten kleine Bildausschnitte, die ansonsten nur mit teuren Superzoomobjektiven möglich wären.

Insbesondere für die Weitwinkelfotografie ist der kleinere Bildausschnitt bei Cropsensoren ein Nachteil
Was bedeutet der Cropfaktor für die fotografische Praxis?
Sie sollten sich, bevor Sie sich ein neues Kamerasystem zulegen, also unbedingt den Cropfaktor Ihrer Favoriten anschauen und auch das Objektivangebot unter die Lupe nehmen. Testen Sie im Vorfeld, ob Ihnen der größtmögliche Bildausschnitt Ihrer Wunschkamera genügt, damit Sie später bei Ihren ersten Weitwinkelfotos keine Enttäuschung erleben. Ansonsten können Sie in der Praxis den Cropfaktor gedanklich in eine Schublade legen, da er für Ihre Aufnahmen keine Rolle spielt. Außer Sie wollen Tipps und Tricks zu Aufnahmeeinstellungen aus einer Ausgabe der Fotoschule ausprobieren. Wenn dort Brennweitenangaben gemacht werden, beziehen sich diese in der Regel auf das Kleinbildformat – und müssen von Ihnen mit dem Cropfaktor Ihrer Kamera multipliziert werden!