Auch wenn es vielleicht nicht auffällt, wenn man sich nicht intensiv damit beschäftigt: Fotos bilden den Kontrastumfang eines Motivs nicht einmal annähernd ab – weil Kameras dies nicht leisten können. Lesen Sie, was dies für die Wahl der Belichtung in extremen Lichtsituationen bedeutet.
Wenn wir mit dem menschlichen Auge etwas betrachten, machen wir uns um das Thema Helligkeit und Kontrastumfang keine großen Gedanken. Warum auch, schließlich das Erfassen einer Situation automatisch ab, ohne dass wir uns darauf konzentrieren müssten auf etwas zu fokussieren. Das menschliche Sehvermögen kann man mit einer Art Superkamera vergleichen. Selbst wenn am Himmel die Mittagssonne extrem hell strahlt, können wir gleichzeitig im schattigen Gebüsch auf der Erde kleine, dunkle Details wahrnehmen. Warum das so besonders ist? Nun, eine Kamera kann das leider nicht.
Warum werden Bilder über- oder unterbelichtet?
In vielen Motivsituationen fällt es auf, zumindest wenn man einmal genauer hinschaut, dass die eigene Kamera eine Szene nicht so darstellen kann, wie wir sie mit unseren Augen wahrnehmen. Ein typisches Beispiel hierfür ist eine Aufnahme, auf dem die Sonne zu sehen ist. Deren extreme Helligkeit sorgt dafür, dass alle anderen Bildinhalte extrem dunkel dargestellt werden. So können Sie in diesen dunklen Bildbereichen meist keinerlei Details erkennen. Oder aber Sie konzentrieren sich bei der Belichtungsmessung auf die dunklen Bildbereiche. Dann aber werden Sie den Himmel nicht akzentuiert blau, sondern schneeweiß abgebildet sehen. Doch alleine die Sonne zu meiden, hilft natürlich nicht. Ähnliche Probleme ergeben sich, wenn Sie aus einem dunklen Raum durch ein Fenster nach draußen fotografieren und wollen, dass auch das aufgehängte Bild neben dem Fenster deutlich zu sehen ist. In solchen Situationen stößt die Technik an ihre Grenzen, weil der Kamerachip den Kontrastumfang des Motivs nicht abbilden kann. Die Helligkeitsunterschiede dafür sind zu groß. Deshalb muss man sich als Fotograf entscheiden, welcher Bildbereich korrekt belichtet werden soll und wo man mit Über- beziehungsweise Unterbelichtungen wohl oder übel leben muss.

Ein typisches „Problembild“ für den Helligkeitskontrast: Aus einer dunklen Höhle wird nach draußen fotografiert
Warum nehmen wir die Umwelt anders wahr als eine Kamera?
Das Problem liegt im Kontrastumfang solch extremer Motive. Das menschliche Auge kann einen Umfang von 1:1.000.000 wahrnehmen. Gemeint ist damit das Verhältnis zwischen dem dunkelsten und dem hellsten Punkt einer Szene. Dank dieses Umfangs können wir jedes beliebige Motiv detailliert und ausgewogen wahrnehmen, ohne uns auf helle oder dunkle Bereiche konzentrieren zu müssen. Dabei müssen wir das Leistungsvermögen des menschlichen Sehzentrums nicht einmal ausschöpfen, denn solche Gegenlichtsituationen, die wir Ihnen beschrieben haben, kommen meist „nur“ auf ein Kontrastverhältnis von 1:200.000. Für uns keine Schwierigkeit, selbst für topmoderne Kameras aber schon.
Welchen Kontrastumfang können Bildsensoren darstellen?
Der Bildsensor einer Kamera kann einen Kontrastumfang von 1:4.096 darstellen. Eine deutliche Diskrepanz also zu den Herausforderungen, die Gegenlichtmotive fotografisch bedeuten. Schon an diesen nackten Zahlen lässt sich ablesen, dass man sich als Fotograf mit dem Thema Kontrastumfang bei der Motivwahl wohl oder übel auseinander setzen muss. Die einfachste Möglichkeit ist es natürlich, Gegenlichtsituationen bewusst zu meiden und zum Beispiel darauf zu achten, immer mit der Sonne im Rücken zu fotografieren. Damit würden Sie sich allerdings viele spannende Aufnahmen entgehen lassen, denn gerade die Beschränktheit der Kamera kann auch als stilistisches Element genutzt werden. Ein typisches Beispiel hierfür ist das Fotografieren von. Hierbei wird das angenehme Licht der Abendsonne als Gegenlichtquelle genutzt. Das Model im Vordergrund wird nur als Scherenschnitt dargestellt. Würde die Kamera einen höheren Kontrastumfang abbilden können, wäre solch eine Aufnahme nicht möglich.

Solche Scherenschnittaufnahmen sind nur möglich, weil der Kontrastumfang von Kamerachips begrenzt ist
Kann man Gegenlicht auch als Stilmittel verwenden?
Während bei solchen Aufnahmen wie dem Scherenschnittbild von vorneherein klar ist, dass man es mit problematischen Lichtverhältnissen zu tun hat, ist dies bei anderen Bildern nicht so leicht ersichtlich. Schnell übersieht man schließlich im Sucher oder auf dem Kameramonitor, dass eine Lichtquelle direkt auf dem Motiv zu sehen ist und für große Helligkeitsunterschiede sorgt, die wahlweise für eine Unter- oder eine Überbelichtung sorgen werden. Hilfreich ist hier das Histogramm, dass die Helligkeitsverteilung eines Bildes grafisch darstellt. Extrem dunkle, beziehungsweise extrem helle Bildbereiche werden dann als Diagrammspitzen angezeigt – der Fotograf kann dann entweder seine Aufnahmeperspektive verändern, oder bewusst mit Fehlbelichtungen fotografieren. Das Histogramm liefert Ihnen im Übrigen auch Informationen über die Farbverteilungen in Ihrem Bild. Beide Funktionen lassen sich auch alternativ später per Bildbearbeitung aufrufen und die Einstellungen kontrollieren.
Wie fotografiert man Motive mit extremen Helligkeitsunterschieden?
Die entscheidende Frage ist nun aber natürlich: Was macht man bei Motiven mit extremen Helligkeitsunterschieden? Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Erstens Sie fotografieren trotzdem wie gewohnt. In diesem Fall sollten Sie jedoch unbedingt manuell in die Belichtungsmessung der Kamera eingreifen. In der Voreinstellung würde die Kamera nämlich versuchen, einen Kompromiss zwischen der Darstellung von hellen und dunklen Bildbereichen zu finden. Ein Versuch, der nur misslingen kann und zu trüben, nutzlosen Bildern führt. Bessere Ergebnisse erzielen Sie, wenn Sie der Kamera via Spotmessung exakt vorgeben, welchen Bildbereich sie für die Belichtungsmessung nutzen soll. Wählen Sie hier einen hellen Bildbereich, nicht aber die hellste Stelle im Bild. So bekommen Sie brauchbare Ergebnisse – wie zum Beispiel das beschriebene Scherenschnittbild.
Welche Vorteile bieten Belichtungsreihen?
Die zweite Möglichkeit besteht darin, Belichtungsreihen einer Aufnahme zu machen. Dabei wird das Motiv mit unterschiedlichen Belichtungseinstellungen mehrfach fotografiert. Diese Belichtungsreihen werden dann am PC zu einem Gesamtbild verrechnet, das sowohl helle als auch dunkle Bildbereiche korrekt wiedergibt. Hierbei wird der Kontrastumfang durch die Kombination mehrerer Bilder künstlich erhöht. Möglich werden solche „Hochkontrastbilder“ beispielsweise durch das Freeware-Tool „Traumflieger DRI-Tool“. Bedenken Sie jedoch, dass Sie bei solchen Belichtungsreihen darauf achten müssen, dass die einzelnen Bilder exakt dasselbe Motiv darstellen. Ein Stativ ist also unbedingt empfehlenswert!