Um scheue Wildtiere nicht zu verschrecken, muss man sich als Fotograf möglichst gut verstecken. Wer sich professionell tarnt, hat die Chance auf spektakuläre Bilder aus nächster Nähe.
Als im Schwarzwald gerade die Dämmerung anbricht, harrt der Tierfotograf Jürgen Alfons bereits seit mehreren Stunden regungslos im Gebüsch am Rande einer Lichtung. Würde man als Wanderer zufällig dort vorbeikommen, könnte man nur wenige Meter an ihm vorbeigehen, ohne ihn wahrzunehmen. Denn Jürgen Alfons hockt nicht wirklich im Gebüsch, sondern davor – und zwar in einem so genannten Beobachtungszelt.
Dieses Zelt im Waldlook erkennt man tatsächlich nur, wenn man gezielt nach ihm sucht – streift man mit seinem Blick nur das Gebüsch entlang, ist es so gut wie unsichtbar. Nur ein schmaler Schlitz gibt den Blick ins Innere frei – alles, was man zu sehen bekommt, ist nur das Objektiv des Fotografen, der auf einem schmalen Schemel regungslos auf seine scheuen Models wartet.
„Das ist die einzige Chance, Wildtiere aus nächster Nähe zu fotografieren. Oft kommen Hirsche und Rehe so nah ans Zelt heran, dass ich sie fast schon berühren könnte, wenn ich den Arm ausstrecken würde“, erklärt der leidenschaftliche Hobbyfotograf mit leuchtenden Augen. Den Arm streckt er in solchen Situationen natürlich nicht aus – nur der Auslöser wird fleißig gedrückt.
Was Jürgen Alfons noch nicht weiß: An diesem Spätsommermorgen wird der Fotograf gen Alfons kein Glück haben, denn kein tierischer Waldbewohner wird sich blicken lassen. Künstlerpech, das einfach dazu gehört, wie jeder Wildtierfotograf aus Erfahrung bestätigen wird.
Kostspielige Tarnung
Wer in heimischen Gefilden Wildtiere fotografieren will, hat zwei Möglichkeiten, an die begehrten Aufnahmen zu kommen. Entweder man sucht sich einen Hochsitz mit großer Weitsicht und bewaffnet sich mit einem Tele- oder einem Superteleobjektiv oder aber man wagt sich in die direkte Nähe der fotografischen Beute.
Dafür sind dann allerdings professionelle Vorbereitungen unersetzlich, denn wenn Meister Reinecke und Co. Sie entdecken sollten, nehmen sie Reißaus, bevor Sie sie überhaupt zu Gesicht bekommen haben.
Hier helfen professionelle Tarnzelte, die speziell für Jäger, Naturforscher und eben auch Tierfotografen entwickelt wurden. Solche Tarnzelte gibt es in unzähligen Ausführungen, die Preise beginnen bei rund 100 Euro. Dass Profis für spezielle Ausführungen 500 Euro und mehr zahlen, ist allerdings keine Seltenheit.
Wen es auch einmal reizen würde, sich in Rambo-Manier getarnt in den Wald aufzumachen und ein echtes Wildlife-Foto zu schießen, muss dafür aber nicht unbedingt so viel Geld ausgeben, denn Tarnzelte lassen sich auch deutlich günstiger selbst herstellen – und dabei muss man nicht einmal zu Nadel und Faden greifen und sich selbst ein Exemplar zusammenschneidern.
Schirm + Netz = Beobachtungszelt
Der begeisterte Wildlife-Fotograf Werner Zimmer hat sich ein eigenes Zelt zusammengestellt – und das kann sich mit fertigen Lösungen nicht nur messen, sondern übertrifft die meisten in puncto Tarnfaktor und Flexibilität sogar noch! Dabei ist die Lösung simpel, aber genial!
Ein 1,10-Meter-Schirm mit 10-mm-Gestänge, ein Tarnnetz, und fertig ist das Tarnzelt. „Oft reicht eben auch ein einfacher Schirm aus, um zum gewünschten Erfolg zu kommen. Die ganze Geschichte bringt nur 1.200 Gramm auf die Waage und wird bis auf das Tarnnetz komplett im Regenschirm verstaut. Der Regenschirm behält seine volle Funktion, was draußen oftmals von großem Vorteil sein kann. Das Tarnnetz steckt in einem Kompressionsbeutel, der nur 10 x 20 cm groß ist. Es kann problemlos am Rucksack oder Gürtel getragen werden. Ich trage es meistens am Stativ, passt genau auf den Kopf“, erklärt Werner Zimmer.
Der Schirm selbst ist übrigens ebenfalls im so genannten „Flecktarn“-Muster und ist in Nato- oder Bundeswehrshops, bei Spezialversendern und bei eBay für rund 15 Euro erhältlich. Auch Tarnnetze zu besorgen, ist alles andere als kompliziert. Schauen Sie sich einfach bei Onlineshops wie www.tarnnetze.net um. Hier finden Sie unzählige Modelle, die die Tarnung in jedweder Umgebung möglich machen sollen. Die Kosten bemessen sich pro Quadratmeter, den man benötigt. Ab rund vier Euro muss man hier pro Einheit rechnen.
Ein professionelles Tarnzelt lässt sich so für rund 40 Euro selbst zusammenstellen – basteln wäre für das Auflegen des Netzes auf einen Regenschirm wohl etwas zu hoch gegriffen! Werner Zimmer kniet übrigens nicht hinter seinem Schirm, sondern hat sich eine etwas bequemere Lösung einfallen lassen.
„Zum Sitzen verwende ich einen kleinen Dreibein-Klapphocker, wie er im Anglerzubehör zu beziehen ist. So lässt es sich ein paar Stunden aushalten.“ Übrigens ist es in der Praxis nicht damit getan, einfach das Netz über den Schirm zu hängen und auf Fotojagd zu gehen. Damit das selbstgebaute Tarnzelt richtig genutzt werden kann, sorgt ein maßgeschneidertes Metallrohr dafür, dass der Schirm bequem direkt am Stativ befestigt werden kann.
Das unwillige Widder-Model
Geht es Ihnen auch so? Wenn man sich vorstellt, sich mit einem Tarnzelt im Dickicht zu verstecken, juckt es einen in den Fingern, selbst einmal auf fotografische Wildtierjagd zu gehen – vor allem, wenn man Werner Zimmer zur Entstehungsgeschichte eines Bildes aus dem Nähkästchen plaudern hört: „Der Widder wollte auf der kleinen, mit Raureif überzogenen Lichtung nach etwas Nahrhaftem suchen. Er schaute mich regungslos etwa ein bis zwei Minuten an, bevor er flüchtend wieder in der Dickung verschwand. Die Zeit reichte, um einige Fotos von dem jungen Burschen zu schießen. Der Einstand des Muffelwildes an dieser Stelle ist mir schon viele Jahre bekannt, doch waren sie im vergangenem Sommer nur äußerst selten anzutreffen. Was mir an diesem Foto nicht so gut gefällt, ist der Ast, der sich im Unschärfebereich befindet. Leider war das Tier nicht dazu zu bringen, auch nur ein paar Schritte zur Seite zu gehen.“
Treibt es Sie jetzt auch getarnt in den Wald? Die Kosten für die Lösung von Werner Zimmer wären mit rund 40 Euro für einen Schirm – den man zudem sowieso immer brauchen kann – und ein Tarnnetz überschaubar. Allerdings muss man sich bei aller Pfadfinderromantik im Klaren sein, dass die meiste Zeit aus einsamen Warten besteht. Eine Garantie auf ein Wildtierbild gibt es nie! Aber wenn es so einfach wäre, würde es ja auch seinen Reiz verlieren, oder?