Das Weitwinkelobjektiv kommt fast ausschließlich in der Landschaftsfotografie zum Einsatz. Was für eine Verschwendung! Es zweckzuentfremden, kann tolle, neue Kreationen ermöglich. Welche, das zeigt unser Artikel „Nahes im Weitwinkel“.
Fotos, die mit einem Weitwinkelobjektiv aufgenommen wurden, bestechen in der Regel durch ihre Weitläufigkeit. Dies kommt natürlich vor allem Landschaftsaufnahmen zu gute, die mit Weitwinkelbrennweiten aufgenommen, noch viel gigantischer und beeindruckender wirken. Doch woran liegt das eigentlich? Der Name der Objektive trägt die Antwort bereits in sich. Der „weite Winkel“. Weitwinkelobjektive bilden einen größeren Bildausschnitt ab als Normalobjektive. Dabei ist der Blickwinkel sogar größer als der Eindruck, den wir beim Sehen erlangen. Dieser liegt bei 40 bis 50 Grad – dies entspricht einer Kleinbildbrennweite von 45 bis 60 mm. Die typische Weitwinkelbrennweite liegt hingegen bei 28 mm. Superweitwinkelobjektive erreichen sogar noch deutlich kürzere Brennweiten.
Warum werden Porträtaufnahmen fast nie im Weitwinkel aufgenommen?
Dass Weitwinkelobjektive bei Landschaftsfotografen beliebt sind, lässt sich leicht erklären. Es passt schlichtweg viel Landschaft aufs Bild. Zudem bringen sie einen großen Schärfentiefenbereich beim Fotografieren mit. Sie bekommen also knackig scharfe Aufnahmen – vom Vordergrund bis zum Hintergrund. Für Landschaftsaufnahmen ist dies ideal Dementsprechend sind Weitwinkelobjekte aber für Fotos, bei denen mit unscharfen Vorder- oder Hintergründen gespielt werden soll, völlig ungeeignet. Porträtaufnahmen werden so gut wie nie mit einer Weitwinkelbrennweite realisiert. Das hat den bereits angedeuteten Grund, dass man als Fotograf sein Model nicht vor dem Hintergrund freistellen kann – und genau dies ist für ausdrucksstarke Porträtaufnahmen erwünscht. Allerdings sollte man sich als Fotograf nie sklavisch an Konventionen halten, weil man „dies halt so macht“. Weitwinkel für Landschaft, Tele für Porträts – warum nicht einfach einmal die Rollen tauschen? Wie eine solche Aufnahme wirken kann, zeigt bereits das Einstiegsbild zu dieser Lektion. Das weibliche Model wurde hierbei mit einer Brennweite von 16 mm aufgenommen. Schaut man sich die Proportionen des Models auf, fällt einem spätestens auf den zweiten Blick auf, dass irgendetwas hier nicht ganz stimmen kann. Wir helfen Ihnen auf die Sprünge: Der Kopf erscheint im Vergleich zum Körper unverhältnismäßig groß! Alles was sich bei einem Motiv, das mit einem Weitwinkelobjektiv aufgenommen wurde, im Vordergrund befindet, erscheint nämlich übermäßig groß, während Objekte im Hintergrund im Vergleich dazu merkwürdig klein erscheinen. Dieser ungewöhnliche Naheffekt macht das Zweckentfremden von Weitwinkelobjektiven so interessant!

Kombiniert mit ungewöhnlichen Posen macht solch ein Weitwinkelporträt (23 mm) eine Menge her Foto: pollography / photocase.com
Was macht Porträtaufnahmen im Weitwinkel so interessant?
Die Beispielbilder in diesem Artikel zeigen es deutlich: Grundsätzlich eignet sich das Weitwinkelobjektiv also sehr wohl für Porträtaufnahmen – wenn man denn bereit ist, fotografisch neue Wege auszuprobieren und zu experimentieren. Allerdings genügt es nicht, klassische Bildausschnitte und Posen auf einmal mit einer kurzen Brennweite zu fotografieren. Wichtig bei der Motivauswahl ist nun mehr auch der Hintergrund, denn statt einer unscharfen Fläche, die möglichst nicht vom Model ablenken soll, gehört sie nun ebenfalls zum fotografischen Gesamtkunstwerk. Starke Farben und interessante Kontraste im Hintergrund sind nun nicht mehr störend, sondern für die Bildwirkung sehr wichtig. Doch auch das Model im Vordergrund sollte bei einer Weitwinkelaufnahme nicht einfach nur freundlich in die Kamera lächeln. Es gilt zu bedenken, dass nicht nur Torso und Kopf abgebildet werden, sondern der gesamte Körper. Um Spannung ins Bild zu bringen, lässt sich mit Bewegungen, die mit einer Aufnahme eingefroren werden, zum Beispiel einiges machen.
Quelle Einstiegsbild: pollography / photocase.com