Für Schärfefetischisten sind sie sicherlich nicht geeignet, denn Bilder, die mit Lensbabys aufgenommen wurden, sind niemals komplett scharf. Sollen sie auch gar nicht. Wir stellen Ihnen die ungewöhnlichen Spezialobjektive vor.
Beim Fotografieren dürfte inzwischen fast jeder auf Objektive mit Autofokus setzen. Warum auch nicht, schließlich arbeitet dieser schnell und zuverlässig. So fotografiert es sich eben deutlich schneller und komfortabler, als hochkonzentriert durch den Sucher blicken zu müssen, um auch tatsächlich ein scharfes Foto hinzubekommen.
Wenn Sie sich der Welt der Spezialobjektive von Lensbaby (http://lensbaby.de) nähern wollen, müssen Sie sich von solchen Annehmlichkeiten wie einem Autofokus verabschieden. Sollte vor Ihrem inneren Auge jetzt ein manueller Einstellring für die Schärfe erscheinen, liegen Sie aber auch damit falsch. Die gibt es bei Lensbaby-Objektiven ebenfalls nicht, denn Scharfstellen ist hier im wahrsten Sinne des Wortes eine Fingerübung.
Das Spiel mit der Schärfe
Lensbaby wird umgangssprachlich als Gattungsbegriff für formbare Objektive verwendet, ist aber in Wahrheit der Firmenname eines amerikanischen Herstellers für Spezialobjektive. Lensbaby Inc. wurde 2004 vom Fotografen Craig Strong gegründet.
Typisch für Lensbaby-Objektive ist das Spiel mit der Schärfe. Mit den Objektiven wird es möglich, Schärfe- und Unschärfebereiche im Bild manuell zu bestimmen. Ein mit einem Lensbaby aufgenommenes Bild ist nur in einem bestimmten Bereich scharf; rundherum nimmt die Schärfe bis in den Randbereich immer weiter ab. Das Hauptmerkmal der Objektive sind entsprechend Fotos mit selektiver Schärfe, für gestochen scharfe Produktfotos oder Ähnliches sollten Sie also einen großen Bogen um die Spezialobjektive machen.
Das Unternehmen bietet inzwischen diverse Objektive an. Die bekanntesten sind die Modelle „Muse“, „Composer“ und „Control-Freak“. Alle drei Objektive sind mit Bajonett-Anschlüssen für nahezu alle DSLR-Kameras von Canon, Nikon, Pentax und Sony/Minolta und auch für viele CSCs erhältlich. Im Folgenden stellen wir Ihnen die einzelnen Modelle, die Fotokünstler auf der ganzen Welt begeistern, detailliert vor.
Die Muse für Ihre Fotos
Das Modell Muse ist wohl das bekannteste Lensbaby-Objektiv. Rein optisch erinnert es etwas an einen Blasebalg. Um zu fokussieren, drücken Sie den elastischen Tubus zusammen und lassen den „Sweet Spot“ (Schärfekreis) durch Verbiegen im Bild umherwandern. Das Objektiv lässt sich so verbiegen, dass der Sweet Spot beliebig im Bild verschoben werden kann.Den Tubus können Sie dehnen, stauchen oder biegen. Mithilfe dieser Bewegungen wird das Bild nach Ihren Wünschen fokussiert und der Ort des Fokuspunktes festgelegt. Die dadurch entstehenden Verwischungen und Farbverschiebungen sorgen für „überraschende impressionistische Effekte, vor allem bei Langzeitbelichtungen“, wie der Hersteller verspricht.
Tatsächlich sollten Sie einiges an Geduld mitbringen, wenn Sie zum ersten Mal mit Muse experimentieren, denn es ist ganz schön knifflig, den Schärfebereich wie gewünscht zu platzierenund auch während des Fotografierens zu halten. Ob und wie es geklappt hat, merkt man letztendlich erst, wenn das Foto auf der Speicherkarte ist. Dafür erhält man definitiv einzigartige Bilder, echte Unikate. Denn zweimal exakt den gleichen Schärfebereich manuell einzustellen, ist so gut wie unmöglich.
Muse gibt es in zwei Ausführungen: zum einen mit einer Kunststofflinse (zirka 60 Euro) und zum anderen als Zweiglaslinser. Die Glas-Variante (zirka 100 Euro) sorgt für gestochene Schärfe im Sweet Spot, während die Kunststofflinse verträumt wirkende, leicht nebulöse Bilder erzeugen soll.
Zudem ist Muse mit dem so genannten „Optic Swap System“ ‚von Lensbaby kompatibel. Das bedeutet, dass Sie die eingesetzten Linsen jederzeit austauschen können. Dafür bietet Lensbaby zahlreiche Objektiveinsätze an – angefangen vom Einlinser über eine Fisheye-Optik bis hin zur Lochkameraoptik.
Composer: Jedes Bild eine Komposition
Um das Spiel mit der Schärfe geht es auch beim Modell Composer – nur funktioniert das Scharfstellen hier völlig anders. Das Objektivkonzept basiert auf einer allseitig drehbar gelagerten Kugel, die das präzise, ruckelfreie Verlagern der selektiven Schärfe ermöglichen soll.
Der Fotograf kippt einfach das Objektiv um den gewünschten Winkel, hält diese Einstellung und fokussiert anschließend durch manuelles Drehen des vorderen geriffelten Einstellrings. Der Composer bleibt während des Scharfstellens in der gewünschten Position, auch wenn die Arretierung nicht benutzt wird.
Das Modell Composer, das für rund 300 Euro im Handel erhältlich ist, wird mit einem zweilinsigem Glasobjektiv geliefert, das ebenfalls dank des „Optic Swap Systems“ jederzeit ausgetauscht werden kann. Geeignet ist es vor allem bei Anwendungen, wenn der Schärfebereich vom Fotografen exakter bestimmt werden soll; unerfahrene Nutzer werden mit dem Composer deutlich einfacher arbeiten können als mit dem Muse-Objektiv. Möglich werden durch die ungewöhnlichen Schärfebereiche vor allem tolle Landschaftsfotos und Porträts.
Alles im Griff mit dem Control Freak
Noch einen Schritt weiter geht es beim Modell Control Freak – der Name lässt schon darauf schließen, dass der Fotograf hier die besten Möglichkeiten hat, Schärfebereiche exakt zu bestimmen. Control Freak ist eine Weiterentwicklung des Lensbabys 3G und richtet sich vor allem an Fotografen, die mit selektiver Schärfe bei Tabletop- und anderen Aufnahmen im Nah- und Makrobereich arbeiten möchten.
Beim Control Freak können Sie den gewünschten Sweet Spot durch Zusammendrücken scharfstellen und durch Kippen des Tubus an die gewünschte Bildstelle bringen. Haben Sie die gewünschte Einstellung gefunden, wird diese mit einem Tastendruck fixiert. Anschließend können Sie dann mit der Feinjustierung beginnen. Die Schärfe stellen Sie mit dem Scharfstellring vorn am Tubus ein.
Mit der Biegung des Tubus bestimmen Sie die Sweet-Spot-Position – anders als bei Muse müssen Sie das aber nicht mit Fingerdruck erledigen, sondern mithilfe von drei Gewindestangen. So können Sie sämtliche Einstellungen millimetergenau exakt bestimmen.
Das Modell Control Freak wird mit fest installiertem zweilinsigem Glasobjektiv geliefert und kostet rund 180 Euro.
Objektiveinsätze von Lensbaby
Wirklich interessant wird das Fotografieren mit Lensbaby-Objektiven vor allem durch die Möglichkeit, die installierten Linsen auszutauschen. Denn bei den Modellen Muse und Composer sind diese nicht fest verbaut. sondern können jederzeit durch eine Alternativlinse ersetzt werden. Diese Objektiveinsätze stehen Ihnen zur Verfügung:
Glaseinlinser: Mit dieser einfachen Optik trimmen Sie Ihre Fotos auf alt. Die Farben wirken etwas schwammig und wenig naturgetreu, vergleichbar mit einem etwas zu sorglosen Umgang mit dem Photoshop-Weichzeichner.
Glaszweilinser: Standard beim Composer-Objektiv. Sorgt für gestochen scharfe Sweet Spots. Wenn Sie bei einzelnen Bildbereichen Wert auf eine klare Schärfeführung legen, ist diese Optik die beste Wahl.
Kunststofflinse: Auch im Sweet Spot werden die Bilder hiermit nicht wirklich scharf. Zudem wirken die Bilder extrem weichgezeichnet. Geeignet beispielsweise für farbenfrohe Installationen mit psychedelischer Wirkung und experimentierfreudige Fotografen. Ansonsten in der Praxis kaum zu gebrauchen.
Lochkamera/Zonenplatte: Ermöglicht echte Lochkamera- oder Zonenplatten-Aufnahmen. Auch hier ist eine starke Weichzeichnung charakteristisch. Die Bilder weisen über den kompletten Bereich eine gleichmäßige (Un-)Schärfe auf.
Soft-Fokus-Optik: Sorgt auch im Sweet Spot für eine leichte Unschärfe und warme weiche Farben im kompletten Bild. Eignet sich vor allem für Porträtfotos.
Fisheye-Optik: Macht große Weitwinkelaufnahmen möglich und ergibt die typische Verzeichnung wie bei Verwendung eines herkömmlichen Fisheye-Objektivs. Diese Verzeichnung kann Panoramen besonders attraktiv machen.
Weitwinkelaufnahmen mit Lensbaby
Nicht nur bei Landschaftsaufnahmen sind Weitwinkelobjektive sehr praktisch. In Kombination mit dem Lensbaby-Effekt der selektiven Unschärfe ergeben sich so spannende Gestaltungsmöglichkeiten. Es gibt nur einen Haken: Weitwinkelobjektive werden von Lensbaby nicht angeboten. Trotzdem müssen Sie nicht auf einen breiten Blickwinkel verzichten. denn im Bereich „Zubehör“ findet sich bei Lensbaby auch ein Weitwinkelkonverter – mit diesem Konverter, der rund 80 Euro kostet, wird Ihr Lensbaby vom 50-mm- zum 21-mm-Objektiv.
Darüber hinaus wird auch ein Lensbaby-Weitwinkel-Tele-Set angeboten. Der 0.6x-Weitwinke|- und der 1.6x-Tele-Konverter ermöglichen Ihnen die Änderung der effektiven Brennweite Ihres Lensbaby-Objektivs auf 30 mm (Weitwinkel) beziehungsweise auf 80 mm (Tele). Darüber hinaus finden Sie viele weitere Konverter und Accessoires für Lensbaby-Objektive im Angebot.