Die Verschlusszeit ist eines der wesentlichsten Kameraeinstellungen in der digitalen Fotografie. Nur wer weiß, wie sie sich auf das Bild auswirkt, kann sie als kreatives Werkzeug bewusst einsetzen.
Wer nur gelegentlich im Sommerurlaub oder auf Familienfeiern seine Kamera zückt und fotografiert, kümmert sich meist nicht um die Technik, wie das Foto entsteht und warum manche Aufnahmen unscharf werden, andere aber nicht. Grundsätzlich muss man sich natürlich mit technischen Hintergründen beschäftigen, um schöne Aufnahmen machen zu können. Wollen Sie allerdings auf Ihre Fotos mehr Einfluss nehmen können, als nur das Motiv auszuwählen, sollten Sie die Bedeutung verschiedener Kameraeinstellungen unbedingt kennen. Eine elementare Einstellung, deren Auswirkung jeder ambitionierte Fotograf kennen muss, ist die Verschlusszeit.
Was ist der Unterschied zwischen Verschlusszeit und Belichtungszeit?
Doch was genau versteht man unter der Verschlusszeit? Und wo liegen die Unterschiede zur Belichtungszeit – einem Begriff, von dem man in diesem Zusammenhang auch immer wieder einmal hört? Die Verschlusszeit definiert die Zeit, in der während des Fotografiervorgangs die Blende geöffnet ist und Licht auf den Bildsensor fällt. Die Verschlusszeit startet also mit dem Auslösen und endet mit dem Verschließen der Blende. Die Verschlusszeit ist damit identisch zur Belichtungszeit eines Fotos – trotzdem sind diese beiden Begriffe streng genommen keine Synonyme. Die Verschlusszeit beschreibt nämlich die Zeit des mechanischen Vorgangs, die Belichtungszeit hingegen ist lediglich ein fotografischer Wert, der angibt, wie lange ein Bild belichtet wurde. Da die beiden Werte aber sowieso übereinstimmen, werden beide Begriffe im Alltag gleichbedeutend verwendet. Und so handhaben wir es auch in diesem Artikel.

Verschluss.jpg Perfekt getroffen: Auf diesem Bild sehen Sie, wie sich die Blende gerade schließt Foto: Viktor Mildenberger / pixelio.de
Welche Rolle spielt die Verschlusszeit für die Belichtung?
Die Verschlusszeit regelt also, wie lange Licht auf den Sensor fällt. Doch was bedeutet das für den Fotografen? Wenn er die Verschlusszeit seiner Kamera beim Fotografieren manuell vorgibt, nimmt er so direkten Einfluss auf die Belichtung des Fotos. Je kürzer die Belichtungszeit, desto weniger Licht fällt auf den Sensor. Je länger, desto mehr Licht. Bei identischem Blendenwert – auf diesen Zusammenhang kommen wir später noch zu sprechen – sorgt man vereinfacht ausgedrückt durch die Zeitwahl dafür, ob ein Bild dunkel oder hell belichtet wird. Wer beim Fotografieren deshalb eine zu kurze beziehungsweise zu lange Belichtungszeit einstellt, erhält als Quittung ein unter- beziehungsweise ein überbelichtetes Bild.
Wie hängen Blende und Verschlusszeit zusammen?
Wer die Verschlusszeit manuell einstellt, sollte also schon etwas Erfahrung mitbringen, um so abschätzen zu können, welche Werte für ein Motiv und die aktuelle Lichtsituation geeignet sein könnten. Erschwerend kommt zudem noch hinzu, dass die Verschlusszeit nicht als eigenständiger, unabhängiger Wert betrachtet werden kann, sondern immer im Zusammenhang mit dem eingestellten Blendenwert gesehen muss. Mit der Auswahl des Blendenwertes regeln Sie nämlich, wie weit die Blende während des Fotografierens geöffnet werden soll. Je weiter sie geöffnet wird, desto mehr Licht fällt auf den Sensor. Es macht deshalb einen gravierenden Unterschied, ob Sie mit Blende f / 2,8 oder mit f / 16 fotografieren, wenn Sie die Verschlusszeit manuell einstellen wollen.
Wie kann man mit der Verschlusszeit kreativ fotografieren?
Bei so vielen Fallstricken, die das manuelle Einstellen der Belichtungszeit offenbar mitbringt, stellt sich natürlich die Frage, warum man dieses Risiko überhaupt eingehen und die Einstellung nicht der Kameraautomatik überlassen sollte? In vielen Fällen können Sie dies tatsächlich der Kamera überlassen, in manchen jedoch nicht. Zumindest dann nicht, wenn Sie kreativ fotografieren wollen. Die Verschlusszeit stellt nämlich mehr dar als nur einen nüchternen Wert. Sie definiert, wie lange eine Motivsituation von der Kamera aufgenommen wurde. Und das ist von entscheidender Bedeutung, wenn sich vor der Kamera Bewegung abspielt! Bei einer extrem kurzen Belichtungszeit wird die fotografierte Situation förmlich eingefroren. Egal, ob sich dort etwas bewegt, oder nicht. Wenn jedoch die Belichtungszeit manuell verlängert wird, hat dies Auswirkungen darauf, wie Bewegungen auf dem Bild visualisiert werden. So erreichen Sie beim Sport beispielsweise Bewegungsstreifen des Sportlers vor einem ansonsten scharf abgebildeten Hintergrund. Dieser Effekt wird von vielen Sportfotografen geschätzt, weil das Bild so dynamischer wirkt. Je länger die Belichtungszeit eingestellt wird, desto stärker wirkt der Effekt – bis schließlich das komplette Bild unscharf wird.

MIt einer Belichtungszeit von 1,6 Sekunden gelang dieses kreative Bild Foto: Rainer Sturm / pixelio.de
Neben der Sportfotografie werden manuell verlängerte Verschlusszeiten auch gerne in anderen Situationen eingesetzt. So können Sie durch unterschiedliche Belichtungszeiten nämlich ganz bewusst die Bildwirkung verändern. Ein schönes Beispiel hierfür ist das Fotografieren von fließendem Wasser – zum Beispiel einem Bach oder einem Wasserfall. Mit einer kurzen Belichtungszeit werden Sie gestochen scharfe Wassertropfen auf Ihrem Bild zu sehen bekommen. Dass auf dem Motiv Wasser fließt, sieht man dann jedoch nicht. Um Wasser fließend wirken zu lassen, müssen sich die Wassertropfen sozusagen verbinden. Und dies erreichen Sie durch den Einsatz längerer Belichtungszeiten. Die Bewegungsunschärfe sorgt für ein sichtbar fließendes Wasser – ein toller Effekt! Je länger die Belichtungszeit, desto stärker der Effekt im Übrigen. Wer dies auf die Spitze treibt, sieht auf seinem Foto gar kein Wasser mehr, sondern eine Form von Nebelschwaden, die durch das Motiv ziehen. Auch eine attraktive Motivmöglichkeit!
Welche Verschlusszeit wählt man bei Available Light Fotos?
Während bei den vorgestellten Beispielen mit dem manuellen Einstellen der Verschlusszeit optional Einfluss auf das Bild genommen werden kann, ist es in einer anderen Disziplin der Fotografie unumgänglich, diesen Wert manuell vorzugeben: der Available-Light-Fotografie. Hiermit wird das Fotografieren ohne Beleuchtungshilfsmittel bei Nacht oder Dämmerung beschrieben. Man nutzt ausschließlich das vorhandene Licht, um seine Fotos zu belichten. Um das zu erreichen, muss man mithilfe eines Stativs mit extrem langen Belichtungszeiten arbeiten, damit das Motiv nicht komplett dunkel abgebildet wird. Die Kameraautomatik hilft in solchen Fällen nicht weiter – sie würde den Blitz hinzuschalten und versuchen, damit ein beliebiges Motiv im Vordergrund aufzuhellen. Bei der Avalaible Light – Fotografie geht es aber in der Regel darum, den kompletten Bildausschnitt als Hauptmotiv zu betrachten. Durch die verlängerte Belichtungszeit, die je nach Motiv eine Minute und länger betragen kann, sorgen die Lichtquellen im Motiv dafür, dass auch die Umgebung ausreichend belichtet wird. Die Lichtquellen selbst werden zu so genannten Spitzlichtern, die hell erstrahlen. Auch dann, wenn es sich eigentlich nur um ein schummriges, diffuses Licht handelt.
Kann man jede beliebige Verschlusszeit einstellen?
Wer die Belichtungszeit manuell einstellen will, muss immer auch den Blendenwert im Auge behalten. Das gilt auch für die Available Light – Fotografie, in der meist eine fast völlig geschlossene Blende gewählt wird, die nur wenig Licht durchlässt, aber für die gewünschte große Schärfentiefe sorgt. Grundsätzlich sollte man immer bedenken, dass man in manchen Lichtsituationen verlängerte Belichtungszeiten nur dann einstellt, wenn man bewusst eine kleine Blende wählt, die nur wenig Licht durchlässt. Ansonsten nämlich drohen überbelichtete Bilder. Gleiches gilt auch andersherum. Wollen Sie bei schlechten Lichtverhältnissen unbedingt mit kurzen Belichtungszeiten fotografieren, müssen Sie die Blende möglichst weit öffnen – und gegebenenfalls noch die Lichtempfindlichkeit des Sensors erhöhen. Übrigens: Wenn selbst bei der kleinsten Blendenöffnung nicht solch lange Belichtungszeiten möglich sind, wie Sie es brauchen, können Sie einen ND-Filter verwenden. Dieser reduziert farbneutral den Lichteinfall und ermöglicht damit längere Belichtungszeiten
Mit welchem Belichtungsprogramm kann ich die Verschlusszeit einstellen?
Nach so viel Theorie wird es jetzt aber Zeit für die Praxis. So stellt sich natürlich die Frage, wie man an seiner Kamera die Verschlusszeit eigentlich einstellen kann. Diese Option bieten grundsätzlich alle spiegellosen Systemkameras, alle DSLRs sowie viele Kompaktkameras in der Mittel- und Oberklasse. Einstellen können Sie die Verschlusszeit aber in der Regel nur in ausgewählten Aufnahmeprogrammen, nicht aber in der Vollautomatik. Prädestiniert, um erste Erfahrungen mit dem manuellen Einstellen der Verschlusszeit zu machen, ist das Belichtungsprogramm „Blendenautomatik“, das bei manchen Kameramodellen auch „Zeitvorwahl“ heißen kann. Hierbei geben Sie der Kamera eine Belichtungszeit vor, diese wählt anschließend eine passende Blende, um ein ausgewogen belichtetes Bild liefern zu können. In der Regel bietet die Blendenautomatik nur die Möglichkeit, bis zu einer Grenze von maximal 30 Sekunden einen Wert einstellen zu können. Wer länger belichten will, muss zu einem anderen Programm greifen.

In der Blendenautomatik geben Sie die Belichtungszeit vor – die Kamera wählt dazu eine passende Blende
Wie kann man Blende und Verschlusszeit manuell einstellen?
Wer auch auf das Einstellen der Blende nicht verzichten will, findet im manuellen Modus dazu die Möglichkeit. Hier können Sie sämtliche Einstellungen manuell vornehmen. Bei einigen Systemkameras können Sie sogar im Automatikmodus, häufig „Automatik+“ genannt, die Belichtungszeit manuell verändern. In diesem Fall wählt die Kamera zunächst automatisch eine ihrer Meinung nach optimale Zeit-/Blendenkombination. Diese können Sie anschließend per Wahlrad nach Ihren Wünschen anpassen. Ebenfalls noch erwähnenswert ist das Programm „Bulb-Langzeitbelichtung“, das bei vielen Kameras angeboten wird. Dieses Programm wird hauptsächlich von Available-Lights-Fotografen angewendet, da man hiermit ein Bild theoretisch unendlich lange belichten kann. Die Belichtungszeit wird dabei aktiviert und erst dann beendet, wenn der Fotograf den Auslöser, meist per Fernsteuerung, bedient. So werden bei Dämmerung und nachts beeindruckende Aufnahmen möglich.
Ein spannender Beitrag und sehr gut erklärt. Ich habe das nur noch nicht verstanden, ob sich das beim Blitzen im Studio genauso verhält?