In der Regel sind gestochen scharfe Aufnahmen vom Fotografen gewollt. Manchmal jedoch wirkt ein Bild erst dann richtig, wenn es unscharf ist – zumindest in Teilbereichen. Wie Sie Bewegungsunschärfe gezielt einsetzen, zeigen wir in diesem Artikel.
Scharf ist gut und unscharf ist schlecht. Diese Aussage würden wahrscheinlich viele Urlaubsfotografen ohne Zögern unterschreiben. Dabei stimmt sie natürlich aus den unterschiedlichsten Gründen nicht. Zum einen deshalb nicht, weil das manuelle Setzen der Schärfentiefe ein entscheidendes Kreativwerkzeug eines Fotografen ist. Doch nicht nur bei einer geringen Schärfentiefe ist Unschärfe bei einem Foto oftmals wünschenswert, sondern zum Beispiel auch, um Dynamik bei einem sich bewegenden Motiv zu symbolisieren. Wie das in der Praxis funktioniert, dazu kommen wir später.
Wie entsteht Unschärfe?
Zunächst einmal gilt es, sich in Erinnerung zu rufen, wie Bewegungsunschärfe überhaupt technisch bei einem Foto entsteht. Die Verschlusszeit regelt durch den Kameraverschluss die Belichtungszeit eines Fotos. Mit einer kurzen Verschlusszeit werden schnelle Bewegungen eingefroren. Eine längere Belichtungszeit führt hingegen dazu, dass Bewegungen von der Kamera aufgezeichnet werden und dadurch Verwischungen im Bild entstehen – die sogenannte Bewegungsunschärfe. Grob unterscheiden kann man diese Unschärfe erst einmal in zwei Kategorien: in die gewollte und die nicht gewollte. Die nicht gewollte wird jeder Fotograf aus seiner Erfahrung kennen. Zum Beispiel, wenn bei schlechten Lichtverhältnissen die Kameraautomatik eine längere Verschlusszeit wählt und sich in dieser Zeit im Bildausschnitt etwas bewegt. Oder aber, wenn während der Belichtungszeit die Kamera nicht ruhig gehalten wird. Denn für den Effekt der Bewegungsunschärfe ist es einerlei, ob sich das Motiv bewegt oder die Kamera. Sollen solche ungewollten Unschärfen vermieden werden, gelten deshalb folgende Regeln: Bei längeren Belichtungszeiten sollte ein Stativ verwendet werden, wenn sich im Bildausschnitt keine Motive bewegen. Ist doch Bewegung im Bild, müssen Sie die Belichtungszeit verkürzen, um keine Bewegungsunschärfe aufkommen zu lassen – zum Beispiel, indem Sie die Lichtempfindlichkeit des Sensors (ISO) manuell erhöhen.
Warum ist Unschärfe in Bildern manchmal erwünscht?
In diesem Artikel wollen wir aber vor allem Bewegungsunschärfe kreativ nutzen und nicht ungewollte Unschärfe vermeiden. Doch wozu soll Bewegungsunschärfe eigentlich gut sein? Ein Beispiel: Sie möchten ein fahrendes Auto fotografieren. Wählen Sie hierbei eine sehr kurze Verschlusszeit, erscheint das Auto gestochen scharf. Auf dem Bild lässt sich so nicht erkennen, ob es gerade parkt oder fährt. Verlängern Sie die Verschlusszeit, entsteht zunächst eine Bewegungsunschärfe bei den Felgen, deren einzelne Streben nicht mehr erkennbar sind, sondern verschmelzen. Der Betrachter erkennt somit auf dem Bild sofort, dass das Auto fährt. Wollen Sie aber die halsbrecherische Geschwindigkeit des Autos dokumentieren, verlängern Sie die Belichtungszeit noch weiter. Dies erzeugt eine Bewegungsunschärfe des kompletten Autos, womit die Dynamik der Bewegung unterstrichen wird. Dieses Prinzip gilt grundsätzlich für Bewegungsunschärfe: Sie wird eingesetzt, um ein Bild dynamisch wirken zu lassen, um Geschwindigkeit auf einem Foto zu verdeutlichen.

Lange Belichtungszeiten erzeugen Fotos mit Bewegungsunschärfe – und so spektakulär kann dann das Ergebnis aussehen Foto: Jonathan Göpfert / pixelio.de
Welche Formen der Bewegungsunschärfe gibt es?
Um Bewegungsunschärfe zu erreichen, unterscheidet man zwischen drei unter- schiedlichen Techniken. Damit können Sie beispielsweise auswählen, ob es zu Bewegungsunschärfe am sich bewegenden Motiv kommen oder aber dieses scharf, der Hintergrund dafür aber unscharf abgebildet werden soll. Beide Techniken demonstrieren Bewegung und bringen Dynamik ins Bild. Im Einzelnen unterscheidet man zwischen dem Mitzieheffekt, dem Wischeffekt und dem Zoomeffekt. Beim Mitzieheffekt bilden Sie den Sportler scharf ab, den Hintergrund jedoch unscharf. Damit Ihnen das gelingt, ist Ihre Kamera in permanenter Bewegung. Sie fokussieren auf lhr Motiv und verfolgen dann das sich bewegende Motiv permanent im Sucher oder über den Kameramonitor. Stellen Sie die Kamera auf die Fokussiermethode „Automatische Schärfenachführung“ – zu finden als Einstellung „Al Servo“ (bei Nikon-Modellen „Continuous Servo“). Dabei fokussiert das Objektiv das Motiv neu, wenn sich dieses vom ursprünglichen Standpunkt entfernt. Diese Fokussierart ist nützlich bei sich ständig bewegenden Motiven – also optimal für die meisten Situationen in der Sportfotografie, wenn ein Mitzieherfoto aufgenommen werden soll.
Mit welchem Aufnahmeprogramm fotografiert man Bewegungsunschärfe?
Stellt sich die Frage, mit welchem Aufnahmeprogramm solche Mitzieher gelingen. Um in einem Bild Dynamik darzustellen, ist das Motivprogramm Sport nur bedingt geeignet. Besser ist es, auf das Programm zu verzichten und stattdessen sämtliche Einstellungen manuell vorzunehmen. Und zwar aus folgendem Grund: Durch die von der Kamera im Sportmodus verwendete kurze Verschlusszeit wird die Bewegung des Objekts auf dem Foto faktisch eingefroren. Mitzieher sind so also nicht möglich. Das Motiv erscheint, somit gestochen scharf, was aber für die Darstellung von Dynamik kontraproduktiv ist. Dieser Modus ist deshalb ungeeignet, wenn Sie eine Aufnahme mit Bewegungsunschärfe schießen oder mit der Bewegung mitzoomen wollen. Für solche Fotos müssen Sie sich manuell um die richtigen Einstellungen kümmern. Mit einer manuell gewählten etwas längeren Belichtungszeit werden Sie in diesem Fall bessere Ergebnisse erzielen. Je länger die Belichtungszeit, desto unschärfer der Hintergrund. Gut geeignet ist das Motivprogramm Sport übrigens, wenn Sie zum Beispiel den Sportler auf dem Fußballplatz freistellen wollen. Benutzen Sie dabei eine möglichst lange Brennweite.

Wie Bewegungsunschärfe kreativ eingesetzt werden kann, zeigt dieses Bild sehr anschaulich Foto: qay / pixelio.de
Was bedeutet „Zoomeffekt“?
Der Zoomeffekt ist etwas komplizierter zu realisieren. Sie stellen auf ein Motiv scharf, indem Sie den Auslöser halb durchdrücken, und zoomen anschließend während der Aufnahme aus dem Bild heraus. So verkürzen Sie also während des Fotografierens die Brennweite. Dieser Zoomeffekt führt zu sogenannten Geisterbildern. Motive in der Bildmitte werden Richtung Bildrand verschoben beziehungsweise verwischt. Je weiter außen die Elemente liegen, desto stärker wirkt der Effekt. Um dynamische Bilder zu erzielen, ist der Effekt nicht geeignet. Er ist stattdessen eher für kreative experimentierfreudige Fotografen interessant.
Was bedeutet „Wischeffekt“?
Kommen wir zur dritten Technik, mit der Bewegungsunschärfe erzielt werden kann: dem Wischeffekt. Hierbei bleibt die Kamera unbewegt, in der Regel fotografiert man mit einem Stativ, grundsätzlich aber immer mit verlängerten Belichtungszeiten. Wenn nun mit einer langen Belichtungszeit fotografiert wird, erscheinen alle Bildelemente, die sich während dieser Zeit nicht bewegen, gestochen scharf. Motive, die sich jedoch innerhalb des Bildausschnitts während der Belichtungszeit bewegen, verursachen Bewegungsunschärfen. Der Grad der Unschärfe wird dabei zum einen durch die Geschwindigkeit der Bewegung, zum anderen durch die Länge der Belichtungszeit bestimmt. Je länger die eingestellte Zeit, desto stärker der Effekt. Will man also einen rennenden Sportler auf diese Weise dynamisch präsentieren, muss man die Belichtungszeit nur um beispielsweise 1/10 Sekunde verlängern. Ist die Verschlusszeit zu kurz, erscheint der Sportler gestochen scharf, ist sie zu lang, ist der Sportler nur als undefinierbarer Farbstreifen auf dem Bild zu sehen. Um den Wischeffekt in der Praxis sinnvoll einzusetzen, bedarf es deshalb einiger Übung.