Ein bewölkter Himmel ist aus Fotografensicht das optimale Wetter. Nur kann man sich Wetter und Lichtsituation eben nicht aussuchen, weshalb auch bei Mittagssonne und Gegenlicht bestmögliche Ergebnisse erzielt werden müssen. Was Sie zum Fotografieren bei Sonne und Gegenlicht wissen müssen, erfahren Sie hier.
Die Sonne lacht, nimm Blende 8. Diese alte Fotografenweisheit hat wahrscheinlich jeder schon einmal gehört. Als diese Regel ihren Ursprung nahm, griffen Fotografen noch zu Filmen anstatt zu Speicherkarten. Tatsächlich war die Blende 8 bei 200 ASA-Filmen bei direktem Sonnenlicht keine schlechte Idee. In Kombination mit einer Belichtungszeit von rund 1/125 Sekunde ließen sich Aufnahmen erzielen, an denen es technisch nichts zu beanstanden gab.
Heutzutage kümmert sich die Kameraautomatik um die Belichtungsmessung und viele Fotografen vertrauen, zumindest bis zu einem gewissen Grad, der Belichtungsautomatik. Und trotzdem hat die alte Fotoregel durchaus noch ihre Daseinsberechtigung, denn bei direktem Sonnenlicht lassen sich bei einer Lichtempfindlichkeit von ISO 100 oder 200 nach wie vor gute Ergebnisse erzielen!
Die naheliegendste Schwierigkeit, die die Sonne fotografisch mitbringt, sind Aufnahmen bei direktem Gegenlicht. Grundsätzlich weiß jeder Fotograf um die Regel, möglichst mit der Sonne im Rücken zu fotografieren. Eine Regel, die sich natürlich nicht immer beherzigen lässt – und die man aber auch gar nicht immer beherzigen sollte!
Wenn die Sonne direkt auf Ihrem Motiv zu sehen ist, hat das große Auswirkungen auf die Kameraeinstellungen. Zur Verdeutlichung genügt ein Blick ins Histogramm Ihrer Kamera. Das Histogramm hilft dabei, Über- und Unterbelichtungen zu erkennen und dient somit schon vor dem Auslösen als Belichtungskontrolle.
Das Histogramm zeigt die Verteilung der Helligkeit im Bild an. Wenn dort auf der linken Seite eine hohe Spitze zu sehen ist; erscheint das Bild später fast schwarz – es liegt eine Unterbelichtung vor. Ist auf der rechten Seite ein hoher Balken zu sehen, liegt damit dementsprechend eine Überbelichtung vor. Das Bild erscheint grell weiß.
Richtig fotografieren bei Gegenlicht
Im Histogramm lässt sich also ablesen, ob Ihr Bild ausgewogen belichtet werden würde oder nicht. Bei Gegenlichtfotos ist aber eine ausgewogene Belichtung naturgemäß gar nicht möglich. Doch das Histogramm kann noch mehr. Der im Histogramm meist grün unterlegte Bereich zeigt nämlich die Helligkeitsverteilung innerhalb der Autofokus-Markierung an – also dem Bereich, auf den Sie bei dem Foto vermutlich besonders viel Wert legen. Zeigt das Histogramm große Ausschläge, können Sie dies vor der Aufnahme mittels der Belichtungskorrektur beheben.
Wollen Sie Motive im Gegenlicht fotografieren, stehen Ihnen dafür unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Grundsätzlich sollten Sie die Belichtungsmessung Ihrer Kamera auf die Einstellung „Spotmessung“ ändern. In der Standard-Mehrfeldmessung untersucht die Kamera den kompletten Motivbereich und wählt aus dieser Kombination die scheinbar optimale Einstellung. Bei Motiven mit extremen Lichtunterschieden sorgt das jedoch dafür, dass dunkle Bildbereiche völlig „absaufen“. Dies können Sie verhindern, indem Sie den Punkt, den die Kamera zur Belichtungsmessung wählen soll, manuell bestimmen. So können Sie mittels der „Spotmessung“ einen hellen Bildbereich auswählen – nicht aber direkt die Sonne! So bleiben die Motive bei Gegenlichtaufnahmen ausgewogen belichtet und verschwinden nicht im konturlosen Dunkeln.
Möchten Sie bei Gegenlichtaufnahmen Objekte oder Personen im Vordergrund aufhellen, beispielsweise für Porträts mit der Sonne im Hintergrund, greifen Sie zum kamerainternen Aufhellblitz. Halten Sie dann aber genügend Abstand zum Motiv.
Mehr Spielraum dank Filtern
Bei starker Sonneneinstrahlung sind Sie in puncto Belichtungszeiten und Blendenwahl eingeschränkt, da Sie nicht ausreichend abblenden können. Abhilfe verspricht ein ND-Filter – auch Graufilter genannt. Diese sogenannten Neutraldichte-Filter verringern farbneutral die Lichtmenge, verändern dabei aber nicht die Motivfarben. Sie sorgen also dafür, dass weniger Licht durch das Objektiv auf den Bildsensor fällt.
Mithilfe von ND-Filtern können Sie somit auch bei starkem Sonnenlicht mit längeren Belichtungszeiten und/oder einer offeneren Blende fotografieren, ohne das Foto sofort überzubelichten.
Doch wofür ist das überhaupt wichtig? Zwei Beispiele aus der Praxis verdeutlichen die Vorteile: Möchten Sie Fotos mit verwischten Bewegungen fotografieren, brauchen Sie dafür längere Belichtungszeiten. Oder Sie möchten ein Foto mit geringer Schärfentiefe aufnehmen: Dafür müssen Sie an Ihrer Kamera eine offene Blende einstellen – was nicht geht, wenn zu viel Licht auf das Objektiv fällt.
Den Graufilter, den es in unterschiedlichen Stärken zu kaufen gibt, können Sie einfach auf dem verwendeten Objektiv befestigen. Der Graufilter hilft Ihnen zudem auch dabei, direkt gegen die Sonne zu fotografieren, da die Stärke des Lichteinfalls abgemildert wird.
Auswirkungen des ND-Filters auf den Kontrastumfang
Neutraldichtefilter gibt es in unterschiedlichen Ausführungen, die jeweils den entsprechenden Verlängerungsfaktor angeben – zum Beispiel „ND 2X“. Auch wenn die Sonne nicht direkt auf einem Bildmotiv zu sehen ist, hat sie natürlich sehr wohl großen Einfluss auf ein Foto. Je nachdem, wie stark die Sonneneinstrahlung zum aktuellen Zeitpunkt ist, hat dies auch auf den Kontrastumfang eines Motivs Auswirkungen.
Das Kontrastverhältnis – oder auch Kontrastumfang genannt – bezeichnet den Intensitätsunterschied zwischen den hellsten und dunkelsten Bereichen eines Bildes. Bei starkem Sonnenlicht kann der Kontrastumfang zum Problem werden, denn dieser lässt sich von einer Digitalkamera nicht abbilden. Das sorgt dann dafür, dass die entsprechenden extrem hellen oder dunklen Bildflächen unter Umständen konturlos dargestellt werden. Überbelichtete Stellen erscheinen einfach nur als eine zusammenhängende weiße Fläche, unterbelichtete Stellen andererseits als schwarze Fläche.
In Zahlen lässt sich das Problem veranschaulichen: Unsere Augen vermögen einen Kontrastumfang von 1 : 1.000.000 wahrzunehmen. Bei Gegenlichtaufnahmen kann ein tatsächliches Kontrastverhältnis von 200.000:1 und mehr erreicht werden. Für unsere Augen stellt das also keine Schwierigkeit dar, für eine Digitalkamera aber sehr wohl. Diese kann nämlich nur einen Umfang von 1:4.096 abbilden. Deshalb muss sich der Fotograf bei starken Helligkeitskontrasten immer entscheiden, ob er bei seiner Aufnahme mehr Wert auf die hellen oder dunklen Bildbereiche legt. Eine elegante Lösung bietet die HDR-Fotografie. Hier werden einfach Fotos mit unterschiedlichen Belichtungseinstellungen kombiniert und zu einer Aufnahme mit einem deutlich höheren Kontrastumfang kombiniert.
Sonnenstand und Schattenwurf
Zusätzlich zum Kontrastumfang und der Helligkeit des Lichts bestimmt der Sonnenstand auch noch über den Schattenwurf. Und gerade das ist der Grund, warum die Mittagssonne für die Fotografie so ungeeignet ist. Hier fällt der Schatten nämlich in einer vertikalen Linie auf den Boden, was die Auswirkung hat, dass zum Beispiel bei Architekturfotos schon kleine Fassadenvorsprünge dazu führen, dass Bildbereiche darunter im Dunkeln förmlich absaufen.
Sollten Sie es einrichten können, empfiehlt es sich deshalb, morgens oder abends die Motive, denen man die größte Bedeutung beimisst, abzulichten. Mit der Sonne im Rücken, die dann warmes rötliches Licht statt grelles weißes Licht verstrahlt, lassen sich tolle Aufnahmen erzielen.