Wenn Profifotografen ihre Kameras zücken, sieht man dort keine Modelle mit APS-C oder Nikon DX – Sensoren. Stattdessen dominieren Vollformatkameras, die Königsklasse der DSLRs. Wir zeigen, was sie auszeichnet und welche Unterschiede sich beim Fotografieren in der Praxis offenbaren.
Dass die Megapixelanzahl einer Kamera wenig bis nichts über die Bildqualität einer Kamera aussagt, hat sich inzwischen in weiten Teilen der fotointeressierten Bevölkerung herumgesprochen. So ist es auch keine Überraschung, dass es in punkto Megapixelanzahl zwischen DSLR, die 500 Euro kosten zu denen, die 3.000 Euro meist keine nennenswerten Unterschiede gibt. Doch warum genau greifen dann Studio-, Presse- und auch alle sonstigen Berufsfotografen fast ausschließlich zu Kameras, die in gehobenen Preisregionen liegen? Irgendwo müssen wohl doch gravierende Unterschiede zu finden sein!
Ist die Verarbeitung bei Vollformatkameras hochwertiger?
Wer einmal eine wirklich teure DSLR in den Händen gehalten hat, wird festgestellt haben, dass man die unterschiedliche Wertigkeit im Vergleich zu günstigen Einsteigermodellen förmlich spüren kann. Anstatt aus Hartplastik sind die Gehäuse der Spitzenmodelle von Nikon, Canon und Co. aus einer Magnesiumlegierung gefertigt.
Die Kameras sind somit deutlich robuster und gewappnet für den alltäglichen Einsatz. Doch alleine diese Konstruktionsunterschiede würden wohl noch keinen Preisunterschied im vierstelligen Bereich rechtfertigen. Neben einigen weiteren gravierenden Qualitätsunterschieden wie zum Beispiel der Aufnahmegeschwindigkeit ist es vor allem der Bildsensor, der die Königsklasse der DSLRs auszeichnet. Hier werden nämlich so genannte Vollformatsensoren verbaut.
Welche Vorteile bieten Vollformat-Sensoren?
Doch was bedeutet das eigentlich konkret? Zunächst einmal den Fakt, dass Vollformatsensoren schlichtweg größer sind als APS-C oder Four Thirds-Sensoren, die in günstigeren Kameras verbaut sind. Konkret weisen Vollformatsensoren eine Fläche von rund 864 mm2 auf, APS-C bietet mit 329 mm2 nicht einmal eine halb so große Fläche! Mit dem Begriff Vollformat bezeichnet man das „volle Kleinbildformat“ von 24×36 mm, das in der Analogfotografie Standard war. Vollformatsensoren sind in der Herstellung deutlich teurer als kleinere Sensoren – entsprechend sind auch die Kameras teurer und nur für eine im Vergleich zum Massenmarkt kleine Zielgruppe interessant. Schaut man sich den aktuellen Kameramarkt an, findet man nicht einmal ein Dutzend DSLR-Modelle, die mit einem Vollformatsensor ausgestattet sind.
Was bedeutet „Vollformat-SLT“?
Das Vollformat wird nicht nur ausschließlich bei DSLRs verbaut, sondern auch bei den so genannten SLT-Kameras von Sony. SLT steht für Single-Lens Translucent. Sony stellt seit 2012 keine klassischen DSLRs mehr her, sondern nur noch SLT-Kameras, bei denen ein teildurchlässiger Spiegel verbaut wird, der beim Fotografieren nicht hochgeklappt werden muss. Die Kameras sollen so nicht nur leiser, sondern auch schneller werden.
Dafür muss der Fotograf jedoch auf einen optischen Sucher verzichten und mit einer elektronischen Alternative vorlieb nehmen. Das neue Spitzenmodell, die SLT-A99 wurde von Sony mit einem Vollformatsensor ausgestattet. Ansonsten sucht man im Systemkameramarkt das Vollformat noch vergeblich, während im Kompaktkamerabereich vereinzelte Exoten wie die DSC-RX1 zu finden sind.
Haben auch Vollformatkameras Probleme mit Bildrauschen?
Nun drängt sich natürlich die Frage auf, warum ein größerer Bildsensor von so entscheidender Bedeutung sein soll, dass er einen vierstelligen Aufpreis rechtfertigt. Je größer ein Bildsensor bei identischer Megapixelanzahl ist, desto mehr Platz hat jeder einzelne Pixel auf dem Sensor. Dadurch, dass die Pixel nicht dicht an dicht platziert sind, kann jeder einzelne von ihnen mehr Licht aufnehmen. Bei einer Landschaftsaufnahme im Sonnenschein bedeutet das für den Fotografen keinen nennenswerten Vorteil – wohl aber, wenn in schlechten Lichtverhältnissen fotografiert wird und die Kamera die ISO-Lichtempfindlichkeit des Sensors erhöht. Während Fotos, die mit Kameras mit kleinem Sensor aufgenommen werden, dann schon ab Werten bei ISO 400 ein störendes Bildrauschen aufweisen, sind Fotos von Vollformatkameras gestochen scharf.
Weiterer Vorteil: Fotografiert man mit zwei Kameras mit der gleichen Auflösung und einem identischen ISO-Wert, benötigt eine Kamera mit kleinerem Sensor eine höhere Belichtungszeit. Dies liegt daran, dass ein größerer Bildpunkt bei gleicher Belichtungszeit mehr Licht einfängt. In der Praxis bedeutet das, dass Sie mit Kameras mit großem Bildsensor auch in schwierigen Lichtsituationen noch freihändig fotografieren können.
Kann man mit Vollformatkameras kreativer fotografieren?
In der fotografischen Praxis macht es aber nicht nur bei hohen ISO-Werten einen Unterschied, ob man mit einer Kamera mit zum Beispiel mit einem Micro Four Thirds- oder einem Vollformatsensor fotografiert. Größere Bildsensoren weisen bei einem identischen Blendenwert nämlich eine geringere Schärfentiefe auf als kleinere Sensoren. So lässt sich also mit einer Vollformatkamera bei offener oder mittlerer Blende das kreative Werkzeug der selektiven Unschärfe besser nutzen.
So können Sie in vielen Situationen ein Motiv im Vordergrund durch einen unscharfen Hintergrund freistellen, während dies bei Kameras mit kleineren Sensoren bei ansonsten identischen Kameraeinstellungen nicht möglich wäre. Wer hingegen nur Landschaftsaufnahmen mit hoher Schärfentiefe, sprich kleinen Blenden, fotografieren will, wird in der Praxis keinen Unterschied feststellen.
Warum ist der Bildausschnitt beim Vollformat anders als bei Cropsensoren?
Ein entscheidender Unterschied zwischen dem Vollformat und kleineren Sensoren zeigt sich, wenn man beide Kameramodelle mit demselben Objektiv nutzt. Dann nämlich werden Sie die Auswirkungen der so genannten Brennweitenverlängerung (Cropfaktor) einmal in der Praxis zu sehen bekommen. Wenn Sie sich für Ihre DSLR-, SLT- oder Systemkamera ein Objektiv kaufen, finden Sie dabei Angaben zur Brennweite, die damit abgedeckt wird. So ist zum Beispiel eine Spanne von 18-200 mm für ein Reisezoom typisch. Diese Brennweitenangabe bezieht sich jedoch auf das Kleinbildformat – also das Vollformat. In Kombination mit kleineren Sensoren verlängert sich jedoch die Brennweite, wodurch der Bildausschnitt entsprechend kleiner wird.
So wird bei APS-C-Kameras (Faktor 1,6) aus 18-200 mm effektiv 27-300 mm. Bei Micro Four Thirds (Faktor 2,0) werden es sogar 36-400 mm. Ob diese Brennweitenverlängerung ein Vor- oder Nachteil ist, liegt im Auge des Betrachters. Die einen freuen sich über die Möglichkeit, preisgünstig im Supertelebereich fotografieren zu können. Die anderen ärgern sich, dass aufgrund des Cropfaktors keine schönen Weitwinkelaufnahmen möglich sind. Fest steht jedenfalls: Wer von einem kleineren Sensor zum Vollformat umsteigt, wird sich an die veränderten Brennweiten erst einmal gewöhnen müssen!
Welche Hersteller bieten Vollformat-Kameras an?
Wie bereits angedeutet, findet man inzwischen nicht nur DSLRs, sondern auch jede Menge Systemkameras mit Vollformatsensor. Topmodelle sind die Canon EOS R (rund 2.400 Euro bei Amazon*) und die kompaktere Canon EOS RP (rund 1.500 Euro bei Amazon*)
Nikons Topmodell ist die Nikon Z7 mit 45,7 Megapixeln Bildauflösung (rund 1.400 Euro bei Amazon*). Kompakter und damit praktischer für den Urlaub ist die Nikon Z6 (rund 2.100 Euro bei Amazon).
Eine der günstigsten digitalen Spiegelreflexkameras mit Vollformatsensor ist die inzwischen schon etwas betagte EOS 6D, die bei Amazon rund 1.000 Euro kostet*. Die neuere Variante EOS 6D Mark II liegt preislich etwa 300 Euro darüber.
Lohnt sich der Kauf einer Vollformatkamera?
Kaum eine andere Frage wird in Fotoforen im Internet so eifrig diskutiert wie die, ob Vollformatkameras anderen tatsächlich überlegen sind und ein Umstieg lohnt. Tatsächlich sind die teuren Profimodelle bei Berufsfotografen nicht nur aufgrund des Vollformats so beliebt, sondern auch aufgrund der deutlich hochwertigeren Verarbeitung und der höheren Bildrate pro Sekunde. Auch das bessere Rauschverhalten einer Vollformatkamera ist Fakt. Ob diese Gründe genügen, um umzusteigen, muss jeder für sich selbst beantworten. Schließlich ist es häufig nicht damit getan, sich nur eine neue Kamera zuzulegen – auch neue Objektive müssen unter Umständen angeschafft werden!
Einstiegsbild: Canon
Super Erklärungen! Sehr hilfreich für einen unwissenden Neueinsteiger in die Fotografie.
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Wenn Kleinbildformat die Königsklasse ist, was ist dann Mittelformat ?
Das wäre dann die Kaiserklasse 😉